Sie können es nicht sein lassen. Erneut tritt die SVP mit einer fremdenfeindlichen Initiative vor das Schweizer Stimmvolk, jedoch dieses Mal in einem nie dagewesenen Ausmass.
Mit der Durchsetzungsinitiative (DSI) versucht die SVP rund einen Viertel der hiesigen Bevölkerung an den gesellschaftlichen Rand zu drängen und greift somit die Freiheit und Gleichheit in der Schweiz an. Unter dem Deckmantel des Volkswillen will die DSI eine Ausschaffungsregelung erzwingen, welche, nebst der Unmenschlichkeit der Ausschaffung generell, jegliches Mass an Vernunft und Verstand, selbst für bürgerliche Verhältnisse, übersteigt. Trotz angenommener Ausschaffungsinitiative will die SVP jetzt noch härter durchgreifen und verletzt so jegliche Gleichheit vor dem Gesetz und in der Gesellschaft selbst. Während Schweizer_innen unter Umständen für das selbe Vergehen nur eine kleine Geldbusse zahlen müssen, werden Nicht-Inhaber_innen des roten Passes aus ihrer Familie, ihrem Umfeld und ihrem Zuhause oder kurz aus ihrem Leben gerissen.
Das Parlament hat die Ausschaffungsinitiative fristgerecht umgesetzt und dennoch gibt die Durchsetzungsinitiative nun vor lediglich den Volkswillen umzusetzen. Aber in Wirklichkeit ist diese Initiative viel extremer. Sie streicht die Härtefallklausel, bei der die persönlichen Umstände Einzelner berücksichtigt werden können und so setzt sie sich über das Prinzip der Gewaltenteilung hinweg und schwächt unseren Rechtsstaat. Richter_innen werden zu Vollstreckungsbeamten degradiert und das Bundesgericht wird in einigen Fällen gar gänzlich ausgeschlossen.
In der Schweiz sind die Grundrechte und -freiheiten nebst der Bundesverfassung zusätzlich durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt. Die Durchsetzungsinitiative führt zu systematischen Verletzungen der EMRK und riskiert damit, dass die Schweiz aus der Konvention und aus dem Europarat austreten muss. Mit einer Kündigung der EMRK wäre der langfristige Schutz unserer Rechte und Freiheiten in der Schweiz gefährdet. Bei Annahme der Initiative sind auf Dauer nur zwei Szenarien möglich: Die Schweiz tritt aus der EMRK aus oder die Durchsetzungsinitiative bleibt praktisch wirkungslos. Klar ist, dass beide Szenarien den Initianten in die Hände spielen, während die Folgen für die Schweiz verheerend sind.
Die Durchsetzungsinitiative trifft uns alle: Rund ein Viertel der Menschen in der Schweiz sind als Ausländerinnen und Ausländer direkt betroffen. Für sie würde die Initiative bedeuten, dass sie auch als Secondos und Secondas und unabhängig davon, wie gut sie integriert sind oder wie lange sie schon in der Schweiz leben, von heute auf morgen aufgrund des geringsten Vergehens automatisch und ohne Berücksichtigung der persönlichen Umstände ausgeschafft würden. Diese permanente Unsicherheit und die Angst, jederzeit auf willkürliche und absurde Art und Weise die Existenz in der Schweiz verlieren zu können, wirken sich negativ auf das langfristige Zugehörigkeitsgefühl und damit auch auf eine nachhaltige Integration aus.
Auch Schweizerinnen und Schweizer wären als Freunde, Familienangehörige und Kinder von Menschen ohne Schweizer Pass von der Initiative betroffen. So würde beispielsweise die Frau eines ausgeschafften Mannes quasi über Nacht zu einer Alleinstehenden oder Alleinerziehenden und auch Kinder wären plötzlich vaterlos. Durch die Willkürklausel, die nicht zwischen Bagatelldelikten und schweren Verbrechen unterscheidet, werden unzählige Familien auseinandergerissen – auch Schweizer Familien.
Somit ist klar: Die «Durchsetzungsinitiative» ist nicht bloss eine Durchsetzungsinitiative. Sie hat viel tiefgreifendere Folgen, ist absichtlich extremer formuliert und zielt auch auf ganz andere Bereiche als die Ausschaffungsinitiative. Die Durchsetzungsinitiative setzt nicht den Volkswillen der Ausschaffungsinitiative durch, sondern attackiert die Grundwerte unserer Demokratie. Sie gefährdet unseren Wohlstand und unser Zusammenleben. Und sie macht aus Recht Willkür.
Es liegt an uns allen die Stimmbürger_innen aufzuklären und sie auf die Wichtigkeit dieser Abstimmung aufmerksam zu machen. Laufen wir den Bürgerlichen nach einer angenommenen Revision des Asyl- und Migrationsgesetz, einer Ausschaffungs- und Masseneinwanderungsinitative, bei dieser Thematik nicht schon wieder ins Messer. Es ist Zeit ihnen einen Riegel vor zu schieben und zu sagen: „Genug ist Genug! Nicht mit uns, nicht hier, nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Unsere Schweiz ist ein humaner Ort, der ein harmonisches Zusammenleben anstrebt und nicht eine zwei-Klassen-Gesellschaft. Wir wollen freie Menschen sein, wir ALLE“.
Die Vollversammlung vom 19. Februar 2016 wird zu Gunsten einer Aktion gegen die Durchsetzungsinitiative abgesagt.
Molli, CO - Präsident der JUSO Kanton Bern
08.02.2016