Der Grosse Rat stimmte dem neuen Justizvollzugsgesetz im September deutlich zu. In der jetzigen Session wird es in die zweite Lesung kommen. Die JUSO Kanton Bern versuchte vergeblich die Ratsmitglieder der SP davon zu überzeugen, erneut über das Gesetz zu diskutieren um es in der Folge geschlossen abzuschmettern. Da sich die JUSO intern kein Gehör verschaffen konnte, tat sie das heute vor dem Rathaus in Bern. Mit einer Aktion wurden Grossrät*innen willkürlich “eingemauert” um aufzuzeigen, wie gefährlich und unsinnig die geplante Totalrevision ist und der Willkür Tür und Tor öffnet.
Mit dem neuen Gesetz kann der Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Massnahmen an private Einrichtungen ausgelagert werden. Die Übertragung von Strafvollzugsaufgaben an Private ist höchst problematisch, da dadurch eine demokratische Aufsicht und Kontrolle nicht gewährleistet werden kann. Ein Artikel im Gesetz erlaubt es dem Personal privater Einrichtungen sogar, über Sanktionsmassnahmen zu entscheiden, welche physischen Zwang beinhalten. Das bedeutet nichts anderes als die Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols. Co-Präsidentin der JUSO Kanton Bern Barbara Keller meint dazu: “Es darf nicht sein, dass Private interne Reglemente erlassen und darauf gestützt eigenständig über die Anwendung von Zwangsmassnahmen entscheiden können. Was die Folgen davon sind, kann man gut am amerikanischen System beobachten.”
Die JUSO machte mit ihrer Aktion klar, welche Gefahren es mit sich bringt, wenn der Justizvollzug und damit das Gewaltmonopol privatisiert werden. Bei privaten Firmen steht die Profitmaximierung im Vordergrund. Dies bedeutet, dass die Kosten auf Kosten der Gefangenen und ihrer (Menschen-) Rechte gedrückt werden. Um die Profite zu erhöhen, lobbyiert die Gefängnisindustrie wiederum auf der politischen Ebene, damit noch mehr Menschen kriminalisiert und ins Gefängnis gesteckt werden. Zusammen mit der fehlenden demokratischen Kontrolle ergibt sich eine explosive Situation, in welcher Private Gewinne machen auf Kosten der Gefangenen und der gesamten Gesellschaft.
Personendaten
Das neue Justizvollzugsgesetz sieht umfassendere Bestimmungen zum Umgang mit Personendaten vor. Das Berufs- und das Arztgeheimnis werden im Justizvollzug praktisch aufgehoben. Dies ist primär für Ärztinnen und Ärzte, Psychologen und Psychologinnen sowie für Seelsorgende von Bedeutung. “Dies führt dazu, dass Einsassen keine vertraulichen Gespräche mehr führen können, was Dauerstress und physische Belastung mit sich bringt”, meint Vinzenz Binggeli, Co-Präsident der JUSO Kanton Bern.
Unabhängige Rechtsberatung
Gemäss der Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen haben alle Gefangenen Anspruch auf Rechtsberatung. Die Vollzugsbehörden haben den Zugang dazu sicherzustellen.
Die inhaftierten Personen haben heute im Kanton Bern nur dann die Möglichkeit einer unabhängigen Beratung, wenn sie sich eine Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt leisten können. Vielen Gefangenen bleibt der Rechtsschutz damit verwehrt, zumal sozioökonomisch benachteiligte Menschen überproportional oft von Haftstrafen betroffen sind. Das ist ein Skandal. Es kann nicht sein, dass die finanzielle Situation darüber entscheidet, ob jemand sein Anrecht auf einen juristischen Beistand geltend machen kann.
04.12.2017